ÈÇÓ×ÅÍÈÅ ßÇÛÊΠ| Íåìåöêèé | Niemand! Niemals! Nirgends! 023t


Wolfgang Hohlbein - Das Blut der Templer

Hörbuch

 

  David wandte sich in einer gehetzten Bewegung zu von Metz um - und erstarrte, als er den Ausdruck im Gesicht des Templermeisters sah. Sein Vater lächelte!
Es war kein glückliches Lächeln, zu dem von Metz die Lippen leicht verzogen hatte, sondern ein zutiefst trauriges. Verbunden mit dem festen, entschlossenen Blick seiner klaren blauen Augen, hatte es etwas Tragisches, etwas… Endgültiges.
David starrte ihn voller Entsetzen an, als er die Bedeutung dieses Gesichtsausdrucks verstand, noch bevor sich von Metz ohne Eile erhob und seinen knöchellangen Mantel abstreifte, unter dem er seinen altertümlichen ledernen Brustharnisch trug, und seine Rechte voll unerschütterlicher Entschlossenheit um den Griff seines prachtvollen Schwertes schloss: Er hatte nicht vor, mit Stella und ihm zu fliehen. Er hatte es nie vorgehabt. Sein Vater hatte sie begleitet, um für sie zu kämpfen - für Stella, für ihn und für das Einzige, wofür er seit so langer Zeit lebte: für den Heiligen Gral. Er war mit ihnen gekommen, um sich für sie und für die Aufgabe, die Gott ihm auferlegt hatte, zu opfern. Doch dieses Opfer war so sinnlos!
David spürte, wie seine Hände und Knie unkontrollierbar zu zittern begannen. Das konnte, das durfte der Templer nicht tun! Er hatte bereits seine Mutter bis auf weiteres an ihren kranken Wahn verloren. Er brauchte seinen Vater, verdammt noch mal! Den Mann, den er achtzehn Jahre lang jeden Tag vermisst hatte, den er Tag und Nacht gesucht hätte, hätte er nur den geringsten Ansatzpunkt dafür gehabt, wo er mit dieser Suche beginnen sollte; den Mann, der neben Stella alles war, was ihm geblieben war, und der der Einzige war, der ihm helfen konnte!
»Geh zu Quentin«, sagte von Metz sanft und nickte ermutigend. »Er ist bei seinen Brüdern.«
David verstand nicht. »Quentin…«, stammelte er irritiert und starrte seinen Vater ungläubig an. »Du… er… was?«
Das konnte nicht sein Ernst sein!, schrie eine hysterische Stimme in seinem Herzen immer wieder. Das machte doch keinen Sinn! Sie konnten fliehen, alle miteinander, und sie würden es schaffen, ganz bestimmt und ganz gleich, wie viele Männer und Hunde sie verfolgten! Und Quentin? Was sollte das heißen: Er sei bei seinen Brüdern? Waren sie alle da, wo sein Vater anscheinend auch hinwollte? Waren sie alle tot?!
»Ja«, antwortete sein Vater ruhig. »Er lebt.« Doch dann schwanden Sanftmut und Gelassenheit aus seinem Blick und seiner Stimme. Seine nächsten Worte waren keine Aufforderung und schon gar keine Bitte, sondern ein Befehl. »Und jetzt geh, verdammt!«, setzte er harsch hinzu.
Über dem Haupteingang setzte sich fast geräuschlos ein eisernes Gitter in Bewegung, das in die fast einen halben Meter dicke Wand eingelassen und ihren Blicken bislang verborgen geblieben war. Von irgendwoher erklangen polternde Schritte.
Stellas Blick irrte nervös zwischen David und den beiden Ausgängen hin und her. »Wir müssen raus!«, entfuhr es ihr in weinerlichem Tonfall.
David zögerte eine letzte, unendlich lange Sekunde, in der er den Templermeister mit verzweifelten Augen anflehte. Sein Vater konnte nicht von ihm verlangen, ihn dort zurückzulassen, aber er konnte doch auch Stella nicht allein lassen!
Mit einer ruckartigen Drehung, die ihn mehr Überwindung kostete als alles andere, was er in seinem Leben je getan hatte, wandte er sich von seinem Vater ab, riss das Grabtuch aus dem Splitterberg und warf es Stella zu.