http://de.wikipedia.org/wiki/Erlebte_Rede
Die Erlebte Rede ist ein episches Stilmittel, das zwischen direkter
und indirekter Rede, zwischen Selbstgespräch und Bericht steht: Gedanken oder
Bewusstseinsinhalte einer bestimmten Person werden im Indikativ der dritten
Person und meist im sogenannten epischen Präteritum ausgedrückt, das damit eine
atemporale Funktion annimmt. Somit unterscheidet sich die erlebte Rede
grammatisch von der indirekten Rede, die im Konjunktiv formuliert.
Beispielsätze:
Direkte Rede: Sie fragte sich: "Muss ich wirklich gehen?"
Indirekte Rede: Sie fragte sich, ob sie wirklich gehen müsse.
Erlebte Rede: Musste sie wirklich gehen?
Oft lässt sich in der erlebten Rede nicht entscheiden, wer spricht: Der Erzähler
oder die Figur. Hier gilt nicht die Perspektive eines allwissenden Erzählers,
der sich in die Figur hineinversetzt, vielmehr verschmelzen Erzählerstimme und
Figurenstimme. Die erlebte Rede erzeugt damit den Eindruck von Unmittelbarkeit.
Die erlebte Rede ist nicht zu verwechseln mit dem inneren Monolog und dem Stream
of consciousness.
Vereinzelt lässt sich erlebte Rede schon in lateinischer Literatur nachweisen,
seit dem zwölften Jahrhundert findet sie sich in französischer Epik (style
indirect libre), im 17. Jahrhundert im "Leidensgedächtnis" der dänischen Leonora
Christina Ulfeldt, doch wird sie im modernen Roman erst durch Jane Austen und
Gustave Flaubert bis zum Naturalismus hin zu einem geläufigen Stilmittel, das
dann bei Arthur Schnitzler und James Joyce durch die Technik des
Bewusstseinsstroms abgelöst wird.
Beispiele [Bearbeiten]Emma sah ihn an und zuckte die Achseln. Warum war ihr
Gatte nicht wenigstens einer dieser stillen, aber ehrgeizigen Männer der
Wissenschaft, die die ganze Nacht über ihren Büchern sitzen …? Der Name Bovary,
der ja auch der ihre war, hätte berühmt sein, hätte in Büchern und Zeitungen
stehen müssen, von ganz Frankreich gekannt. Aber Charles hatte keinen Ehrgeiz! (Gustave
Flaubert, Madame Bovary)
Der Konsul ging … umher … Er hatte keine Zeit. Er war bei Gott überhäuft. Sie
sollte sich gedulden. (Thomas Mann, Buddenbrooks)
Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas böses getan hätte
war er eines morgens verhaftet. Die Köchin der Frau Grubach, seiner
Zimmervermieterin, die ihm jeden Tag gegen acht Uhr früh das Frühstück machte,
kam diesmal nicht. Das war noch niemals geschehen. (Franz Kafka, Der Proceß)